Mittwoch, 26. August 2009

Wendelin Weishaupt in der toll ffm

Direkt unter Oberfläche gilt es zu suchen, was gefunden werden will.

Unter der transparenten Abdeckung der toll ffm breiten sich ineinander verschlungene bunte Luftmatratzen aus, welche die Galerie bis zum Maximum ausfüllen. Diese gefüllten Gummi-Körper erscheinen eingepfercht zwischen Betonwänden irritierend deplatziert. Klaustrophobische wie nostalgische Emotionen evozierend wird deutlich: sie beinhalten mehr als nur Luft. In dicht gedrängten Membranen sind Ereignisse und Situationen eingeschrieben, die wir kennen und derer wir uns gerne erinnern. Die aufgeblasenen Synthetikschläuche sind plötzlich „sinnliche Zeugen“ vergangener Tage, unbeschwerter Jugendzeiten am See oder möglicherweise der Familienreise im voll gepackten Auto, wo das aufgeblasene Spielzeug gerade noch Platz fand. Diese eigens für die toll ffm angefertigte Arbeit von Wendelin Weishaupt, trägt aber noch weiter. Denn die Luftmatratze als industriell gefertigtes Erzeugnis unserer Gesellschaft, verweist auf soziokulturelle wie ökonomische Phänomene und Systeme, mit denen wir in unserer alltagsweltlichen Praxis umgehen – meist ohne sie in Frage zu stellen. Bei Weishaupt jedoch werden aus Luftmatratzen, Schwimmflügeln und Rettungsringen präzise Fragezeichen, die, als Diagnoseinstrumente zur Realitätsprüfung eingesetzt, schnell jede Sentimentalität abschütteln. Die durch seine Exponate berührten Bereiche der Freizeit und ihrer gesellschaftlichen Bedingungen bzw. Folgen werden mit scharfem Röntgenblick bis aufs Mark schonungslos durchleuchtet.

„Man kann sich sicher sein, wenn Wendelin in seinen Arbeiten Formen des Alltags entlehnt, dass es mehr zu entdecken gibt, als sie vorgeben“ sagt Bernd Metz, Mitglied der Kuratorengruppe spezialLabor. Weishaupt nutzt Gegenstände, oder baut ihre Formen nach, ohne dass an Kopie oder Irreführung zu denken ist. Scheinbar ungenaue Umsetzung, formale Reduktion und Transformation, Ecken und Kanten locken auf geschickte Weise immer nähern an den intendierten Gehalt heran und immer weiter ins Zentrum der thematischen Spannungsfeldes. Dabei bedient er sich unterschiedlicher Materialien: von Holz über Karamell bis zu Kohle reicht seine Palette, um Hinweise zu legen. Er analysiert Inhalte, ihre Geschichten, arbeitet ihre gesellschaftlichen Bedeutungen und Codes heraus, um den Betrachter zu einer genaueren Überprüfung zu befähigen. Es ist der stete Versuch, den Dingen auf den Grund zu gehen, denn unter der Oberfläche verbirgt vielleicht sich mehr noch als nur heiße Luft.

Mehr über Wendelin Weishaupt: www.bildhauerein.de

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